Malediven: Korallen pflanzen im bedrohten Paradies

Der Klimawandel gefährdet die Malediven. Auf den Urlaubsinseln gehört Naturschutz mittlerweile zum Programm. Daran können sich Besucher selbst beteiligen.

Neue Westfälische, 17. Juni 2023

Diesen Bericht gibt es mit persönlichen Erlebnissen und O-Tönen auch als Episode des Reisepodcasts.

Postkartenmotiv vor türkisblauem Wasser: Besucher kommen für ein Gefühl exklusiver Abgeschiedenheit.

Mit Hingabe macht sie das. Nimmt ein Stück Koralle, das aussieht wie eine angeschnittene Ingwerknolle, aus einem Wassereimer und befestigt es mit einem Kabelbinder an einem hockerförmigen Metallgerüst. Dann das nächste Stück, das einem Pfifferling ähnelt. Dann eins in Form eines kleinen Zweigs. Eins nach dem anderen knotet Federica an den Rahmen. Es ist eine Fummelarbeit für den Schutz des Meeres.

Denn Korallen, diese skulpturenartigen, schillernd farbigen Lebewesen im flachen Meereswasser, sind durch den Klimawandel gefährdet. Weltweit geht die Zahl der Riffe zurück, auch hier vor den Inseln der Malediven. Doch mit dem Klima wandelt sich das Bewusstsein und so hat die aus Italien stammende Federica, die im Tauchcenter der Urlaubsinsel Velassaru arbeitet, einen inoffiziellen Nebenjob als Meeresschützerin.

Dafür bestückt sie Rahmen mit aufgelesenen Bruchstücken von Korallen – als lebensfähige Keimzellen eines neuen Riffs. Ausgestattet mit Taucherausrüstung bringt ihre Kollegin Mariana das Konstrukt anschließend zu einem Felsen in neun Metern Wassertiefe, begleitet von schnorchelnden Resortgästen, die als Namenspate für den Nukleus herhalten dürfen. Über die folgenden Jahre sollen die Korallen wachsen, im Kriechtempo der Natur zwar, aber doch so groß, dass sie schließlich als Lebensraum für Fische dienen. „Es braucht seine Zeit, aber es klappt“, sagt Federica.

Idyll in Gefahr

Für den Umgang mit der Umwelt gilt über Wasser so ziemlich dasselbe auf den Malediven, diesem Staat aus fast 1.200 von tropischer See umspülten Inseln südwestlich der Küste von Indien. Hierher kommen Besucher für ein wohliges Gefühl exklusiver Abgeschiedenheit. Sehen schon bei der Anreise per Wasserflugzeug die türkisblauen Wogen. Steigen aus ihrer Wasservilla über eine Treppe direkt in den warmen Indischen Ozean. Doch das Idyll ist in Gefahr. Die Inseln erheben sich kaum höher als einen Meter. Der steigende Meeresspiegel könnte buchstäblich ihr Untergang sein, gut fünfzig Jahre nach dem Startschuss für den Tourismus.

1972 fing es an mit dem ersten Resort auf der Insel Kurumba. Nur wenige Jahre zuvor waren die ersten europäischen Urlauber in dem damals hochexotischen Ziel gelandet. Der Charme von früher wirkt noch heute. Und hier ist auch zu erahnen, wie das eng das Band zwischen den Maledivern und ihrer bedrohten Heimat ist. Ali, Betriebsleiter des Resorts, ist passionierter Taucher. „Wenn du unter Wasser kommst, bist du in einer anderen Welt. Dein Geist ist frei, du vergisst dein Smartphone und siehst das friedliche Leben da unten“, sagt er.

Wer beim Tauchen oder Schnorcheln einer Schule Zebrafische begegnet, einem Langnasen-Doktorfisch in die Augen sieht oder an einem ungefährlichen Baby-Riffhai vorbeischwimmt, der versteht, worum es geht. Was da gerettet werden muss vor den Folgen des Klimas. „Die Frage ist, was wir dagegen tun können. Wenn nichts passiert, können künftige Generationen die Schönheit dieses Landes nicht mehr genießen. Das wäre nicht fair“, sagt Ali.

Der Tourismus hatte auch die Umweltsünden im Land befeuert. Die Malediver bauten Dieselkraftwerke, verklappten Müll ins Meer, betonierten ihre Naturparadiese mit Hotels zu. Doch aufgeklärte Urlauber wollen heute weder Katastrophentouristen noch Nutznießer von Zerstörung sein. Sie erwarten keine hilflosen Gesten, sondern Maßnahmen.

Verantwortung: die Heimat erhalten

Auf der weiter abgelegenen Insel Kuramathi ist diese Botschaft angekommen. Hier steht, ziemlich in der Mitte, eine paraindustrielle Ansammlung von Hochbeeten. Salate, Minze, Cocktailtomaten, Basilikum wachsen in einer von Frischwasser durchströmten Nährlösung, einem sogenannten hydroponischen Garten. Das Gemüse wird in den Gästerestaurants und den Mitarbeiterkantinen serviert. „Wir versuchen, die Lieferungen aus dem Ausland zu reduzieren“, sagt die vor sechs Jahren aus Deutschland eingewanderte Hotelvertreterin Becky. Auf den knappen Flächen des Inselstaats wird wenig angebaut und produziert, ohne Importe geht es nicht. Kuramathi kann mittlerweile immerhin ein Drittel seines Salatverbrauchs aus dem eigenen Garten aufbringen.

Außerdem betreibt das Resort ein kleines Umweltzentrum, geleitet von einer Meeresbiologin. Hier gibt es Vorträge zu hören, bei denen zu erfahren ist, wie Korallen in einer Schicksalsgemeinschaft mit Algen Sauerstoff erzeugen – und was diesem Unterwasserkosmos sonst noch zusetzt. „Unsere Großeltern haben die Riffe für ihren Lebensunterhalt zerstört. Sie haben Korallen herausgebrochen und daraus Häuser gebaut“, erzählt Aleem, der in dem Zentrum arbeitet.

Die Aufklärungsarbeit soll nicht nur Besucher erreichen, sondern auch Einheimische – vor allem Schüler der umliegenden Inseln. „Es ist unsere Verantwortung, die Malediven zu erhalten“, sagt Aleem. Und wer sie einmal besucht hat, diese fernen Inseln, der versteht, worum es dabei geht.