Hausboot-Urlaub: Einsam auf dem Wasser

Eine Bootsreise durch das Elsass belohnt mit Ausblicken in eine herrliche Landschaft. Doch auf dem Weg dahin warten brenzlige Manöver – die nur mit Teamgeist zu meistern sind.

Neue Westfälische, 15. Januar 2022

Diesen Bericht gibt es mit persönlichen Erlebnissen und O-Tönen auch als Episode des Reisepodcasts.

Festmachen, wo man möchte: In Frankreich kann man mit einem Boot in freier Natur anlegen.

Vor den Toren von Schleuse Nummer 14 schlägt das Wetter um. Wie eine luftige Kralle ergreift ein Windstoß unser Boot und schiebt den Bug in Richtung Ufer. Ich kann den Kahn nicht auf Kurs halten. Als sich die Schleusentore öffnen, zieht ein gewaltiger Wassersog das Heck an. Wir stehen quer im Kanal. Kein Vor, kein Zurück.

Bootsfahrerromantik, das lernt man bei einer Tour durch die Kanäle des Elsass‘, gibt es nur bei Schönwetter. Wenn Wind und Regen herrschen, dann ist eine Fahrt auf den Wasserstraßen eine Bewährungsprobe für die Nerven – was ich irgendwie geahnt habe. Vor der Abfahrt nach Frankreich habe ich mir eine Kapitänsmütze besorgt. Denn darum geht es bei meiner einwöchigen Hausboot-Tour: ein bisschen so tun, als ob. Den alten Seebären spielen. Und stolz sein, wenn es tatsächlich klappt.

Mit meiner vierköpfigen Crew habe ich beim Anbieter Locaboat gebucht. Einen Führerschein braucht man in französischen Wassern nicht. Nur eine Einweisung im Hafen von Lutzelbourg, bei der unser Instruktor David eine wichtige Devise ausgibt: „If it makes boom, no problem.“ Mal anstoßen macht nichts. Wie auch, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 8 Stundenkilometern.

Schippern ohne Ziel

Doch das heißt nicht, dass alles einfach klappt. Als wir vor Schleuse 14 querstehen, steigen unsere zwei Frauen ab. Mit den Tauen an der Steuerbordseite ziehen sie am Kahn, bis sich die Vorderseite aus dem Schilf am Ufer löst. Ich kann rangieren, versuche es nochmal – und fahre butterweich in die Schleuse ein.

Kurz danach herrscht wieder bestes Wetter. Als wir anlegen, thront schon ein Regenbogen über der elsässischen Landschaft. Wir stehen an Deck, atmen durch. Wieder einen Tag geschafft. Ein Ziel haben wir übrigens nicht. Wir schippern durch den Saarkanal, soweit wir Lust haben.

Doch es gibt auch entspannte, ja meditative Abschnitte. Wie die Fahrt mit dem Schiffshebewerk in Arzweiler nahe dem Abfahrtshafen. Eine gigantische Seilbahn schleppt das Boot in einer Fahrrinne 45 Meter schräg den Berg hinauf. Während die Maschine ächzt, haben wir Gelegenheit, mit dem Blick in Hügeln und Wäldern zu versinken. Nur nicht so tief, dass wir den Zeitpunkt verpassen, rechtzeitig die Halteseile zu lösen und weiterzufahren.

Bald darauf wartet die nächste Herausforderung. Der Weg zur Kreuzung mit dem Saarkanal führt durch zwei enge Tunnel. Links und rechts vom Boot höchstens ein halber Meter. Immer wieder stoßen wir an. Hilfreich ist das Bugstrahlruder, eine Art Zusatzmotor an der Vorderseite des Schiffs. Doch um wirklich sicher hindurchzusteuern, helfen nur Ruhe und das bisschen Erfahrung, das sich mit den Tagen ansammelt.

Reisen als Teamerlebnis

Die wichtigste Erfahrung: Hausbootreisen sind Teamarbeit. Am besten ist das in den Schleusen zu merken, die oft nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen. Der Steuermann muss vorsichtig einfahren. Die anderen legen Taue um die Haltepoller am Rand, damit das Schiff sich in den Strömungen nicht selbstständig macht. Einer muss die Schleusung mit einem Schalter auslösen. Eine filigrane Aufgabe, bei der alle gemeinsam funktionieren müssen.

Der Lohn dieser redlichen Mühen, das sind die Momente der Ruhe. An Schleuse Nummer acht kommen ein Haussschwein und ein Hund hinter dem Schleusenwärter-Häuschen hervorgelaufen. Einen Hafen laufen wir nur in einer einzigen Nacht an. In Frankreich darf man – ebenfalls anders als in Deutschland – überall festmachen, wo es nicht verboten ist. Des Nachts sind wir allein in Kanalschlaufen zwischen verwunschenen Wäldern, wo allenfalls mal ein Fisch aus dem Wasser schnappt.

Der Kahn und wir. Mehr brauchen wir eigentlich nicht, das ist uns schnell klar. Zeit, die Kapitänsmütze abzulegen und irgendwann müde ins schmal bemessene Bett zu sinken. Tage an Bord sind lang und Abende kurz. Eine Faszination, die zunehmend mehr Fans gewinnt. In Coronazeiten hat diese risikoarme Urlaubssparte deutlich zugelegt.

Wie ungewohnt ist es da, nach etlichen Tagen auf dem Kanal wieder einen Fuß in eine Stadt zu setzen. Wir sind zurückgefahren in das Städtchen Saverne, das den Pflichtanteil elsässischer Fachwerkarchitektur zur Reise beisteuert. Angeguckt. Bewundert. Abgelegt. Wir wollen wieder fahren. Die nächste Schleuse wartet auf uns.